Ein kurzer geschichtlicher Überblick: Bedeutende Vertreter und wissenschaftliche Tätigkeit an der Brünner Germanistik

Die Entwicklung der Brünner Germanistik wie auch die Ausbildung angehender Germanisten hängt eng mit der Entstehung der Tschechoslowakei zusammen. Bereits im Folgejahr, am 28. Januar 1919, wurde die Masaryk-Universität als die zweite Universität des ,jungen‘ Staates gegründet, deren Bestandteil auch die germanistische Abteilung, damals als „Seminar für germanische Philologie“, war. Als Begründer der Brünner Germanistik gelten: der Sprachwissenschaftler Prof. Antonín BEER und der Literaturhistoriker Prof. Jan KREJČÍ. Sie legten den Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht nur auf die Forschungs-, sondern auch auf die pädagogische Tätigkeit. Dies ist auch heute für uns sehr wichtig.

Für den Begründer der linguistischen Germanistik in Brünn gilt A. BEER. Zu seinen wohl wichtigsten wissenschaftlichen Leistungen gehören Studien über das Gotische, und zwar in Konfrontation mit dem Altkirchenslawischen und Griechischen. Zur Seite stand ihm Prof. J. KREJČÍ, der erste Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Literatur, dessen Forschungsinteresse einem breiten Spektrum literarischer Werke galt. Neben der ältesten deutschen Literatur, widmete er sich nicht nur J. W. Goethe, sondern auch mehreren damals in Böhmen nur wenig bekannten Autoren, z. B. dem ersten Übersetzer des bedeutendsten tschechischen Romantikers K. H. Mácha ins Deutsche, nämlich S. Kapper, sowie mehreren deutschen Naturalisten, Symbolisten und Neuromantikern. Ein weiteres Forschungsgebiet stellten für ihn auch einige Autoren mährischer Herkunft dar, darunter die wichtigste von ihnen, Marie von Ebner-Eschenbach.

Zu nennen ist auch der bedeutende Germanist und Slawist Prof. Arne NOVÁK. Seine Aufmerksamkeit richtete sich vor allem auf deutsche Romantiker, deren Werke er ins Tschechische übersetzte (Novalis).

Als Nachfolger von A. BEER bezeichnet man seinen Schüler Prof. Leopold ZATOČIL, der sich neben der Erforschung des Gotischen noch intensiver als sein Lehrer auf Analysen von mittelalterlichen literarischen Denkmälern konzentrierte. Im Unterschied zu seinem Vorgänger hat er sein Forschungsfeld um die diachron ausgerichtete Nordistik und Nederlandistik erweitert.

Die nächste Persönlichkeit der Brünner Germanistik in der Nachkriegszeit war Prof. Pavel TROST, der als externer Mitarbeiter an unserem Institut wirkte. Seine germanistischen Interessen waren breit gefächert. Er verfasste viele Beiträge über Germanismen in allen Sprachschichten des Tschechischen und sein ganzes Leben lang äußerte er sich zur Bedeutung, Auslegung und Beziehung deutscher und tschechischer mittelalterlicher Liebeslieder. Er bevorzugte also hauptsächlich die deutsch-tschechische Thematik.

Mit der Brünner Germanistik wird auch Ludvík KUNDERA verbunden, vor allem deswegen, weil er viele Werke der klassischen deutschen Literatur wie auch der Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts übersetzte (Schiller, Brecht, Trakl, Böll). 1997 wurde ihm vom damaligen Kulturminister der Tschechische Staatspreis für literarische Übersetzung verliehen. Er war ebenfalls als Externist tätig.

Die Brünner Germanistik haben vor allem drei bedeutende Persönlichkeiten mitgeprägt:

Prof. PhDr. Zdeněk MASAŘÍK, DrSc., ausgewiesener tschechischer Sprachwissenschaftler, widmete sich hauptsächlich drei Gebieten der germanistischen Linguistik, wodurch er international berühmt wurde: dem Ausdruck von Modalität, der Funktion deutscher und tschechischer Partikel und der frühneuhochdeutschen Geschäftssprache in Mähren.

Prof. PhDr. Jiří MUNZAR, CSc., Literaturwissenschaftler und Übersetzer, Germanist und Nordist, beschäftigte sich mit deutschen Autoren der Romantik (Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff), des Bürgerlichen Realismus (Marie Ebner Eschenbach) und der Moderne  (Franz Werfel, Heinrich Böll).

PhDr. Jaroslav KOVÁŘ, CSc., Literaturwissenschaftler und Übersetzer, beschäftigt sich mit der Theorie des Übersetzens, die er ebenfalls an unserem Lehrstuhl lehrt. Darüber hinaus widmet er sich auch der modernen deutschen, österreichischen und Schweizer Literatur. Zu seinen verdienstvollsten Übersetzungen gehören: die Übersetzung der Liebeslyrik des österreichischen Dichters Erich Fried – „Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte“ übersetzt als „Básně lásky, strachu a hněvu“ – und zwei Romane des schweizerischen  Schriftstellers Friedrich Glauser.

Das Institut für Germanistik, Nordistik und Nederlandistik forscht nach wie vor auf dem Gebiet der älteren und gegenwärtigen deutschen Sprache sowie Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Diese grundsätzliche Ausrichtung unserer Forschung ergänzt sich mit neueren linguistischen Disziplinen und aktuellen Forschungstendenzen.

Unser Institut besteht neben dem Lehrstuhl für Germanistik noch aus zwei anderen Lehrstühlen – aus dem Lehrstuhl für Nordistik und Lehrstuhl für Nederlandistik.

Der Lehrstuhl für Nordistik (gegründet 1965, Josef B. MICHL) fokussiert folgende Bereiche:

– Norwegische Sprache und Literatur, als führende Persönlichkeit gilt doc. PhDr. Miluše JUŘÍČKOVÁ, CSc., Literaturhistorikerin und Übersetzerin (Moderne norwegische Literatur, Werk von Sigrid Undset)

– Schwedische Sprache und Literatur, eine wichtige Persönlichkeit auf diesem Gebiet war PhDr. Libor ŠTUKAVEC, CSc., Übersetzer von Strindberg, Lagerkvist, Johnson, besonders bedeutend ist seine Übersetzung der Geschichte der schwedischen Literatur von Gustafson. Berühmt sind auch seine künstlerischen Übersetzungen der schwedischen Lyrik. Er übersetzte auch schwedische Kinderliteratur, wofür er auch preisgekrönt wurde. Die nächste Persönlichkeit ist Mgr. Alarka KEMPE.

Der Lehrstuhl für Nederlandistik (gegründet 1990, als bedeutende Persönlichkeit gilt Emma MÁČELOVÁ-Van den Broecke), zielt auf den Unterricht der niederländischen Sprache und Literatur.

Zu den wichtigsten aktuellen Leistungen dieses Lehrstuhls gehört die Herausgabe des tschechisch-niederländischen Wörterbuchs „Woordenboek Tsjechisch Nederlands“ (Emma MÁČELOVÁ-Van den Broecke und Dana SPĚVÁKOVÁ). Es handelt sich um das bisher umfangreichste Wörterbuch auf unserem Markt, das vom Verband der tschechischen Dolmetscher und Übersetzer zum besten Übersetzungswörterbuch gewählt wurde. MitarbeiterInnen des Lehrstuhls: Yves T´Sjoen, Sofie Royeaerd, Marta Kostelecká.

Mehr über die Geschichte der Brünner Germanistik finden Sie hier:

Die linguistische Germanistik in Brünn - Antonín Beer und Leopold Zatočil

Aus der Geschichte der literaturwissenschaftlich ausgerichteten Germanistik in Mähren in den Jahren 1919-1945

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